Die humanistische Therapien werden oft als "Dritte Richtung" oder "Dritte Kraft" in der Psychologie bezeichnet (neben der Psychoanalyse und dem Behaviorismus als dem Ursprung der Verhaltenstherapie). Hier finden sich unterschiedlichste Ansätze, die in einigen Prinzipien ihrer therapeutischer Arbeit übereinstimmen und die ein hinreichend gleichartiges Menschenbild besitzen:

  • Gestalttherapie (auch tiefenpsychologisch)
  • Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie
  • Psychodrama (Iacov MORENO)
  • Logotherapie ( Victor FRANKL)
  • Bioenergetik (A. LOWEN) (auch tiefenpsychologisch)
  • Transaktionsanalse ( E. BERNE) (auch tiefenpsychologisch)


1. Philosophische Wurzeln der humanistischen Psychotherapien:

Der Existenzialismus (Sören KIERKEGAARD, 1813 - 1855; Friedrich NIETZSCHE, 1844 - 1900; deutsche Vertreter: Karl JASPERS, Martin HEIDEGGER, Ludwig BINSWANGER) sucht jenseits von absoluten Werten, festen Normen, Rollen und Fassaden den "wirklichen Menschen", in seiner eigentlichen und "nackten" Existenz. Fragen nach dem Sein und dem Sinn werden in der Dimension der Zeit gesehen, d.h. dass der Mensch sich immer auf dem Weg des Selbstwerdens befindet. Es gibt keine allgemeingültigen absoluten Antworten.

Nach SARTRE ist der Mensch zur Freiheit verdammt, er selbst oder nicht er selbst zu sein oder zu werden. Durch diese Verantwortung und den Entscheidungsspielraum wird gleichzeitig aber auch Autonomie, Identität und menschliche Würde möglich.

Einen bedeutsamen Einfluß auf die Humanististische Psychologie hatte auch Martin BUBER. Der religiös verankerte BUBER betonte den Bezug des Menschen zur Welt und die Ich-Du-Beziehung als Begegnung: Eine Begegnung ohne Zweck, Gier oder Vorwegnahme!


2. Gestaltpsychologische Wurzeln der humanistischen Psychotherapien:

Im Gegensatz zur "Elementen-Psychologie", die von der Annahme ausgeht, daß psychische Phänomene aus (isoliert untersuchbaren) einzelnen Elementen zusammengesetzt sind, betont die Gestaltpsychologie, daß beim Wahrnehmen und Denken, bei Willenshandlungen und bei Bewegungsabläufen eine ganzheitliche Organisation nach übergreifenden Gestaltgesetzlichkeiten und dynamischen Gerichtetheiten stattfindet.

Besonders GOLDSTEIN zeigte, daß die Gestaltgesetze nicht nur im Wahrnehmungsbereich gelten, sondern für den gesamten Organismus Bedeutung haben. Er betonte die Einheit des Organismus (grundsätzliche Interdependenz psychischer und somatischer Prozesse) und die Fähigkeit des Organismus zur Selbstregulation.


3. Menschenbild der humanistischen Psychotherapien:

Das Menschenbild der humanistischen Psychologie beinhaltet folgende zentrale Grundgedanken:

  1. Autonomie und soziale Interdependenz: Der Mensch strebt nach Autonomie. Er entwickelt ein aktives Selbst und ist fähig, für sich Verantwortung zu übernehmen, dies immer im sozialen Kontext.
  2. Selbstverwirklichung: Psychoanalytische und behavioristische Modelle erklären zwar ausreichend die Befriedung vieler primärer Bedürfnisse. Diese Erklärungen jedoch reichen nicht aus, denn der Organismus ist auch weiterhin aktiv, lebendig und schöpferisch. Daher werden zusätzlich Selbstaktualisierungskräfte und Wachstumskräfte als Antriebskräfte des Organismus angenommen.
  3. Ziel- und Sinnorientierung: Neben den materiellen Grundlagen bestimmen auch humanistische Wertvorstellungen, wie Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde das Handeln. Handlungen sind sinn-strukturierend und ziel-orientiert.
  4. Ganzheit: Der menschliche Organismus gilt als Leib-Geist-Seele-Einheit! Dies impliziert ein besonderes Verständnis vom Zusammenwirken körperlichen und seelischer Prozesse, welches beisielsweise auch beim Verständnis psychosomatischer Beschwerden hilfreich ist.