Die Anfänge der professionellen Psychotherapie sind gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu datieren (FREUDs erste Veröffentlichungen mit BREUER 1893 "über den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene" der Fall Anna O.)

Psychische Störungen wurden bis dahin überwiegend neurologisch erklärt. Es wurde postuliert, daß jede seelische Störung eine hirnorganische Ursache hat. Das Paradigma mechanistischer / somatischer Medizin und Naturwissenschaft beherrschte das Denken um die Jahrhundertwende. Abgesehen von dem Einfluß philosophischer und dichterischer Einsichten, stand auch FREUD unter dem Einfluß dieses Paradigmas.

FREUD entwickelte die Kernstücke der Psychoanalyse von 1900 -1920. Im Jahre 1900 veröffentlichte er sein erstes umfassenderes Werk "Traumdeutung", in dem er bereits das erste topische Modell darstellte, d.h. die Differenzierung des Psychischen Apparates in unbewußt (kann nur mit Hilfe der psychoanalytischen Technik ins Bewußtsein geholt werden), vorbewußt (kann jederzeit ins Bewußtsein geholt werden) und bewußt. Als therapeutische Technik führte er das freie Assozieren ein. Hinzu kamen folgende Konzepte:

  • "Widerstand" : Der Klient wehrt sich gegen das Bewußtwerden unbewußter Regungen und der Auseinandersetzung damit.
  • "Übertragung": Frühkindliche affektive Erlebnisse und Verhaltensmuster des Klienten werden auf den Therapeuten übertragen,später wird dies zum Kerninstrument psychoanalytischer Technik.
  • Entwicklung des Energiekonzepts der "Libido": Die Libido durchläuft in der Entwicklung des Menschen ganz bestimmte Phasen; unbewältigte Konflikte in diesen Phasen und eine Störung in der Ökonomie der Libido wurden als Ursachen für Neurosen angenommen.


Außerdem arbeitete FREUD ein strukturelles Persönlichkeitsmodell heraus: Der "seelische Apparat" enthält drei "Psychische Instanzen": ES -ICH - ÜBERICH. Neurosen werden zurückgeführt auf Konflikte zwischen diesen Instanzen. Diese Konflikte sind mit Angst verbunden: Angst ist die Ursache für Verdrängungen! Das ICH, das zwischen Triebwünschen aus dem ES und den (Gewissens-) Ansprüchen aus dem ÜBER-ICH vermitteln und eine Anpassung an die Realität finden muß, steht im Mittelpunkt der Angst. Diese Sichtweise wurde auch z.B. von Tochter Anna FREUD in ihrem zentralen Werk: "Das Ich und die Abwehrmechanismen" (1936) weitergeführt.

Danach richtete sich die Aufmerksamkeit zunehmend auf die Bedeutung der frühkindlichen Entwicklung. Diese Blickrichtung ist auch heute noch sehr wichtig: In den sog. "frühen Störungen" wird strukturellen Defiziten mehr Aufmerksamkeit geschenkt, was z.B. in solchen Störungen wie dem Borderline-Syndrom und einigen psychosomatische Störungen zum Ausdruck kommt (vergl. KOHUT 1979; KERNBERG 1981).